Aktualisiert am 1. Februar 2023 von Ömer Bekar
Angst ist mindestens so schwer messbar wie Schmerzen. Die Wissenschaft aber drängt immer häufiger darauf, diese vermeintlich unklassifizierbaren Werte in ein Zahlengerüst zu pressen und daran zu erkennen, wie stark Angst oder Schmerzen sind.
Varianten eines Fragenbogens zur Prüfungsangst kursieren unzählig viele, deswegen soll nun eine kleine Auswahl vorgestellt sowie eine Interpretation angeschlossen werden.
Im Standardwerk für jeden Studenten – Holger Walthers „Ohne Prüfungsangst studieren“ – gibt es den „Prüfungsangst-Check“. Dieser Check soll helfen, die Phase genau zu definieren, in der die Prüfungsangst besonders mächtig wird. Der Autor des Testes möchte den Lesern die Möglichkeit bieten, herauszufinden, ob die Prüfungsangst in der Vorbereitungsphase, vor, in oder nach der Prüfung am größten ist. Den Test und die dazugehörige Auswertung finden Sie hier.
Fragebögen zur Prüfungsangst für Schüler
Da Prüfungsangst nicht erst an der Universität zutage tritt, sondern den Betroffenen vielleicht sogar den Zugang zur Universität verweigert, wenn diese nicht bereits während der Schulzeit diagnostiziert und behandelt wird, haben sich diverse Fragebögen zur Prüfungsangst entwickelt, die für spezielle Altersgruppen und damit auch Schulklassen sinn voll sind.
Die folgende Auswahl an Fragebögen wird derzeit in der Schulberatung verwendet (Quelle: www.schulberatung.bayern.de):
AFS – Angstfragebogen für Schüler von Wieczerkowski | 3. bis 10. Jahrgangsstufe |
DAI – Differenzielles-Leistungsangst-Inventar von Rost / Schermer | 8. bis 13. Jahrgangsstufe |
SESSKO – Skalen zur Erfassung des schulischen Selbstkonzepts von Schöne | 4. bis 10. Jahrgangsstufe |
SELLMO – Skalen zur Erfahrung der Lern- und Leistungsmotivation von Spinath | 4. bis 10. Jahrgangsstufe |
DISK-GITTER – Differentielles schulisches Selbstkonzept-Gitter mit Skala zu Erfassung des Selbstkonzepts schulischer Leistungen von Rost | 7. bis 10. Jahrgangsstufe, Realschule und Gymnasium |
LAVI – Lern- und Arbeitsverhaltensinventar von Keller / Thiel | 5. bis 10. Jahrgangsstufe |
AVI – Arbeitsverhaltensinventar von Thiel | ab 10. Jahrgangsstufe |
Der Fragebogen zur Prüfungsangst wird Leitfaden für ein Anamnese-Gespräch
Zudem wird seitens der Schulberatung empfohlen, bei Verdacht auf Prüfungsangst ein Anamnese-Gespräch zu führen. Ein musterhafter Gesprächsleitfaden umfasst dabei die folgenden Themenblöcke:
1.) Angstausmaß: welches Fächer sind betroffen, welche Noten hat der Schüler aktuell in diesem Fach, wann tritt die Angst auf (bei schriftlichen, mündlichen, vorzubereitenden oder überraschenden Tests), wann beginnt die Angst, welches Ausmaß nimmt sie an, wann gipfelt die Prüfungsangst und wie macht sich das bemerkbar
2.) Kognition und Werte: welche Angstgedanken hat der Schüler, welche Folgen hätten schlechte Noten, was wäre ohne die Prüfungsangst, welche Erklärungen liegen den schlechten Leistungen zugrunde, welche Einstellung hat der Schüler zur Schule, welche Vorstellungen von schulischem und beruflichem Werdegang hat der Schüler
3.) Symptome: wie zeigt sich die Angst, wer erkennt die Zeichen, welche Symptome zeigen sich
4.) Zeit der Prüfungsangst: wie charakterisiert sich die Zeit vor, während und nach der Prüfung, wie verhält sich der Lehrer, welches Detail im Zusammenhang mit der Prüfung verursacht die meiste Angst
5.) Prüfungsvorbereitung: welches Lern- und Arbeitsverhalten zeigt der Schüler, wie ist es um die Hilfe der Eltern bestellt, wie wird mit Hausaufgaben in den schwierigen Fächern verfahren, wie ist die schulische Beteiligung bei Problemfächern, wie ist die Prüfungsvorbereitung strukturiert, gibt es Nachhilfe, wie gestaltet sich die Reflexion der Ergebnisse
6.) Bezugspersonen: wie reagieren Mitschüler, Eltern, Freunde und Familienangehörige auf die Prüfungsangst, wie wird mit dem Problem umgegangen, vor wem ist die schlechte Note am unangenehmsten, bestimmt Angst das Verhältnis zur Lehrkraft
7.) Bewältigung und Hilfe: positive Erfahrungen im Problemfach, Selbsthilfemaßnahmen
Fragenbogen zur Prüfungsangst spiegelt Entstehung von Prüfungsangst
Prüfungsangst hat viele Gesichter
Auf der Suche nach Fragebögen, die klären, welchen Grad die Prüfungsangst bereits eingenommen hat, zeigt sich ein direkter Bezug zu den Ursachen, die der Prüfungsangst zugrunde liegen können. Jeder Fragenbogen zur Diagnostizierung oder Klassifizierung von Prüfungsangst, hat das Ziel herauszufinden,
- ob es sich um Prüfungsangst handelt,
- wie stark die Prüfungsangst ausgeprägt ist
- und welche Gründe der Prüfungsangst zugrunde liegen.
Erinnern Sie sich an die möglichen Ursachen von Prüfungsangst (negative Erfahrungen in der Vergangenheit, Perfektionismus, schlechte Vorbilder, ehrgeiziger Erziehungsstil, gesellschaftlicher Druck, schlechte Vorbereitung), so zeigt sich in Anbetracht des oben erläuterten Fragebogens zur Anamnese, dass genau mit diesen Punkten vor Augen gefragt wird – und dabei ist die Zielgruppe vergleichsweise unerheblich. Ob Schüler, Studenten oder Erwachsene gefragt werden, ist lediglich an der Wortwahl zu erkennen, die mit steigendem Alter schlicht bedachter und gewählter wird, während Kinderfragebögen einfacher formuliert sind.
Darüber hinaus ist das Ziel eines Fragebogens auch, herauszufinden, welche Zeiträume von Prüfungsangst betroffen sind (vor, während, nach einer Prüfung). Last but not least ist natürlich auch das erklärte Ziel, Möglichkeiten der Bewältigung zu eruieren. Dazu muss jedoch die Anamnese feststehen: Erst wer weiß, wodurch der Angstschweiß ausgelöst, kann durch spezielle Techniken und Therapieformen die Prüfungsangst eindämmen, denn letztlich ist Prüfungsangst für alle Betroffenen eins: Ein Einschnitt ins Leben, der die Lebensqualität einschränkt.
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