Diese Ursachen führen zur Prüfungsangst

Aktualisiert am 1. Februar 2023 von Ömer Bekar

Vor einer Prüfung etwas nervös zu sein, ist menschlich – und sogar gut, denn wenn der menschliche Organismus unter Spannung steht, wird er zur besseren Leistung angeregt.

Doch die Grenze zwischen positiver Angst und negativer, fast schon lähmender Angst ist nahezu fließend und das führt zur Frage: Welche Ursachen liegen Prüfungsangst eigentlich zugrunde?

Folgt man der Definition der klinischen Psychologie, so zählt Prüfungsangst zu den sozialen Angststörungen, den sogenannten sozialen Phobien, wenn die Furcht sich zu blamieren im Mittelpunkt steht. Ist aber die Angst vor dem Nichtbestehen der Prüfung stärker, spricht man von einer spezifischen Phobie.

Körperliche und kognitive Reaktionen auf Angst

Auf ein Angstgefühl reagiert der menschliche Körper in der Regel mit einer körperlichen Reaktion: Er geht in Kampfstellung oder will fliehen. Die Muskulatur wird besser durchblutet, die Verdauung hingegen eingestellt, der Herzschlag wird erhöht, die Atmung wird tiefer und schnell und Schweiß hilft dabei, den Körper zu kühlen – und darüber hinaus noch weniger griffig für den Angreifer zu sein.

Darüber hinaus spinnt sich das menschliche Gehirn jede Menge Horrorszenarien zusammen und demotiviert sich dabei selbst. Gedanken an das unmögliche Bestehen einer Prüfung aufgrund des Herzrasens oder die vermeintliche Sicherheit, ohnehin nicht bestehen zu können, werden „automatische Gedanken“ genannt und werden vom menschlichen Gehirn ungeprüft als Wahrheit angesehen. Logisch oder realistisch sind diese Gedanken meist nicht mehr.

Und welches Verhalten ist typisch? Die Konzentration verringert sich, da die Angst viel Aufmerksamkeit auffrisst. Stottern und die Vermeidung des Blickkontakts sind dabei noch vergleichsweise harmlose Reaktionen. Doch das Vermeidungsverhalten kann sich auch noch viel drastischer äußern und bis zur kurzfristigen Absage der Prüfung oder vielleicht sogar zur Verhinderung der Anmeldung führen. Die Lebensqualität wird deutlich eingeschränkt, wenn eine Ausbildung oder gar ein Studium bewusst umgangen wird – weil die Prüfungsangst zu groß ist.

Ursachen und Entwicklung von Prüfungsangst

Im Grunde ist es oft ein Teufelskreis, der letztlich die positive Anspannung vor einer Prüfung in eine Prüfungsangst münden lässt. Doch wie kann etwas eigentlich Positives so drastisch ins Negative umschlagen? Mögliche Gründe und Ursachen von Prüfungsangst können beispielsweise sein:

  • Negative Erfahrungen in der Vergangenheit. Wurde eine in der Vergangenheit liegende Prüfung nicht bestanden, weil Angst die Konzentrationsfähigkeit gelähmt hat und ein überlegtes Handeln verhindert hat, kann das zu Prüfungsangst führen. Menschen, die in Prüfungssituationen bereits negative Erfahrungen gemacht haben, folgern daraus, auch künftig zu versagen. Der futuristische Irrglaube, in jeder Prüfung zu versagen, kann zu Prüfungsangst führen.
  • Perfektionismus kann zur Ausbildung von Prüfungsangst führen. Jeder Mensch, der sich selbst sehr hohe Ziele steckt und sehr hohe Erwartungen an die eigenen Leistungen stellt, steht unter enormen Druck. Die Chance, zu hohe Erwartungen zu enttäuschen ist dabei größer, als eine Prüfung nicht zu bestehen. Doch diese Nuancen werden oft übersehen.
  • Schlechte Vorbilder können zu Prüfungsangst führen. Ist man quasi umringt von denjenigen, die Angst vor einer Prüfung haben, kann diese Angst und Panik durchaus abfärben. Der menschliche Körper lernt also allein vom Zusehen, dass eine Prüfungsangst Panik auslösen kann und reagiert ähnlich darauf.
  • Ehrgeiziger Erziehungsstil. Werden Kinder nicht analog ihrer Leistungsfähigkeit gefördert, so kann auch der Erziehungsstil eine Ursache für Prüfungsangst sein. Mangelt es an praktischer oder verbaler Unterstützung, wird die elterliche Rolle auf den Druck reduziert, der aufgebaut wird. Kinder lernen so, dass Fehler schlimm sind und die elterliche Abneigung eine Folge des Fehlers sein kann.
  • Der Druck der Gesellschaft. In unserer heutigen Gesellschaft ist der Druck überaus hoch. Die Annahme folgt der Vorstellung, dass Erfolg zum Glück dazugehört. Ein Rattenschwanz folgt, denn je mehr ein Mensch leistet, desto größer ist sein Ansehen in der Gesellschaft, desto mehr Geld kann er verdienen und desto mehr kann er sich leisten. Aufgrund des Konkurrenzdenkens mangelt es oft an Kontakten und Kommunikation. Prüfungen werden vor diesem Hintergrund zur entscheidenden Weggabelung zwischen beruflichem Aufstieg oder dem Verbleib im aktuellen Status Quo.
  • Prüfungen und Aufgaben. Wer verpasst hat, sich gut auf eine Prüfung vorzubereiten, hat auch die Chance verpasst, die Prüfungsangst in den Griff zu bekommen. Denn wer die Prüfungssituation trainiert hat und Lernstoff sowie Aufgaben beherrscht, kann sicherer auftreten.
Auch wenn der Lernstoff manchmal nicht so spannend ist, gilt doch: Wer sich gut vorbereitet, läuft weniger Gefahr, Prüfungsangst zu bekommen.
Auch wenn der Lernstoff manchmal nicht so spannend ist, gilt doch: Wer sich gut vorbereitet, läuft weniger Gefahr, Prüfungsangst zu bekommen.

Wie kann Prüfungsangst bewältigt werden?

Im Grunde gibt es zwei verhaltenstherapeutische Ansätze, um Prüfungsangst zu bewältigen.

1.) Bei der einen Methode werden Gedanken beobachtet und Angst verursachende Gedankengänge identifiziert. Sind sie erst bekannt, ist Überzeugungsarbeit gefragt, denn es gilt nachzuweisen, dass das Unterbewusstsein hier einen Streich gespielt hat und die Gedanken weit überzogen sind. Ziel ist es nun, die übertriebenen Gedankengänge zu nivellieren und realistische Gedanken an deren Stelle rücken zu lassen. Gedankenspiele wie etwa eine angemessene Reaktion einzutrainieren, wenn eine Frage nicht beantwortet werden kann und sich gleichsam darüber bewusst zu sein, dass eine unbeantwortete Frage nicht gleich das komplette Versagen bedeuten, steht nun auf der To-do-Liste. 2.) Eine zweite Möglichkeit ist, das Vermeidungsverhalten durch Trainings und Simulationen abzubauen. Dabei werden Prüfungen durchgespielt, es wird geübt, Blickkontakt zu halten und qualifiziert nachzufragen. Ziel ist es, routinierter in eine Prüfungssituation zu gehen, um extreme Reaktionen zu minimieren. Zudem zeigt sich in der Praxis oft, dass die Angst im Laufe der Prüfung geringer wird, nur die Anfangsphase der Konfrontation bedarf einiger Überwindung.

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